Fichtes in den Jahren nach 1800 in stets neuen Fassungen und Entwürfen vorgetragene spätere Wissenschaftslehre erscheint uns heute als geheimnisvoll dunkel, in der Diktion eigenwillig und in ihrem reflexiven Aufbau von verwirrender Komplexität. Und doch verdichtet sie sich immer wieder zu Passagen, in denen unsere Selbsterfahrung im Erkennen in eindringlicher Weise zum Ausdruck kommt.
Das vorliegende Buch versucht, eines der Hauptwerke des späteren Fichte, die Wissenschaftslehre von 1804 (2), und das eigentümliche Verständnis von Philosophie, das ihr zugrunde liegt, in einem argumentanalytisch auf die Sache ausgerichteten Zugriff zu erschließen: In dieser Konzeption erkundet Fichte zunächst die unterschiedlichen Argumentationsformen, deren wir uns im Umgang mit dem Ursprung unseres eigenen Denkens bedienen können, und entfaltet und kritisiert diese in einem sich beständig selbst revidierenden Gang der Überlegung mit beinahe meditativer Ernsthaftigkeit. In Abgrenzung davon gewinnt Fichte dann die Beschreibung eines Einsehens, das nicht nur als Gegenstand der Wissenschaftslehre zu verstehen ist, sondern in ihr selbst auch praktiziert werden soll.
Ulrich Schlösser, geboren 1968, ist seit 2000 wissenschaflicher Assistent am Lehrstuhl für Philosophiegeschichte: Deutscher Idealismus der Humboldt-Universität zu Berlin.