Die bürgerliche Gesellschaft steht in der dreiteiligen Sittlichkeitslehre der Grundlinien der Philosophie des Rechts (1820) in der Mitte zwischen Familie und Staat. Ihre systematische Bedeutung besteht in der Vermittlung von Einzelnem und Allgemeinem oder von Individuum und Staat. Insofern die Lehre der bürgerlichen Gesellschaft zeigen soll, wie diese Vermittlung zustande kommt, soll unter ihrer Entstehungsgeschichte der ganze Gedankenweg verstanden werden, auf dem Hegel sich mit der Frage der Vermittlung in der Sittlichkeit befasst. Unter diesem Gesichtspunkt geht sie auf seinen jugendlichen Opfergedanken zurück, wonach die entzweite Welt durch das Opfer des Einzelnen versöhnt wird. Die Opferlehre verliert aber bald in der Sittlichkeitslehre ihre zentrale Stellung, nachdem Hegel durch die Auseinandersetzung mit der neuzeitlichen Naturrechtslehre und der politischen Ökonomie eine tiefere Einsicht in eine moderne Vermittlung zwischen Einzelnem und Allgemeinem gewonnen hat. Die Entwicklung seiner Sozialphilosophie lässt sich somit als Paradigmenwechsel von der Versöhnung durch das Opfer zur gesellschaftlichen Vermittlung durch die intersubjektive Handlung zusammenfassen.
Keiji Sayama wurde 1967 in Tokio geboren und studierte von 1987 bis 1995 Philosophie und Ökonomie an der Hitotsubashi-Universität Tokio sowie von 1995 bis 2001 als DAAD-Stipendiat Philosophie an der Universität Halle-Wittenberg, wo er 2001 über den jungen Hegel promovierte. Seit 2003 lehrt er Ethik an der pädagogischen Hochschule Hokkaido in Iwamizawa/Japan. Mehrere Publikationen (auf japanisch) über den jungen Hegel und den jungen Marx.