Mehr als 60 Texte von russischen Künstlern wie Kasimir Malevič, Daniil Charms und Dziga Vertov dokumentieren die Auseinandersetzung der Avantgarde mit einer Grundbedingung des industriellen Alltags, nämlich unserer Konfrontation mit den »Dingen«.
In vielen radikalen Strömungen wird das Ding als eine Alternative zum herkömmlichen Kunstwerk propagiert, weil nur das wirkliche Ding dem Erfahrungsverlust der Moderne begegnet. Hatten die revolutionären Künstler ihre Aufgabe darin gesehen, sich mit der industriellen Produktion zu solidarisieren und für einen »Neuen Menschen« neue Dinge zu entwerfen, so wollten auch die Schriftsteller einer »Literatur des Fakts« Bücher mit Titeln wie »Holz«, »Kohle« oder »Zement« schreiben. Zur selben Zeit streiten die Literatur- und Kunsttheorie darüber, ob die Kunst nun die spezifische Dinglichkeit ihrer künstlerischen Sprache erforschen sollte oder vielmehr jene Dinge, auf die ihre Sprache nur verweisen kann.
Solche Überlegungen werden durch die Philosophen der russischen phänomenologischen Schule zusammengeführt, wenn sie über die »Sprache der Dinge« und den »sozialen Sinn« des Dinges nachdenken.
Anke Hennig, 1971 geboren, arbeitet am Sonderforschungsbereich »Ästhetische Erfahrung im Zeichen der Entgrenzung der Künste« an der Freien Universität Berlin. Sie hat russische und deutsche Literatur studiert und mit einer medienhistorischen Dissertation zur sowjetischen Kinodramaturgie der dreißiger Jahre promoviert.